Velo parkt mit Gleisanschluss

Mehrverkehr trotz Umfahrungsprojekten – dagegen formiert sich Widerstand

Die Lärmsanierung der Osttangente auf Basel-städtischem Boden ist längst überfällig.

Da gäbe es gegen den geplanten Rheintunnel eigentlich nichts einzuwenden. Doch die Entscheider geben inzwischen unumwunden zu: Mit dem Rheintunnel kann Mehrverkehr nicht ausgeschlossen werden und die Belastung für Menschen und Umwelt zumindest während der langen Bauzeit würden zunehmen. Die Muster sind bekannt, dagegen formiert sich Widerstand. Umfahrungsprojekte erleiden an der Urne Schiffbruch.

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Autobahnausbau an der Urne: Vielen Menschen einer immer dichter bebauten Schweiz stinkt's und stimmen dagegen. Grafik: Screenshot umverkehr.ch
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Abstimmung im Nachbarkanton setzt der Pro- und Kontra-Diskussion zum Gundeldingertunnel ein Ende
Im Bereich St. Jakobsstrasse/ Grosspeterstrasse soll der Verkehr ab der Autobahn A2 in einen Tunnel abtauchen und das Gundeldinger Quartier unter dem Boden passieren und im Bereich Margarethenstrasse, Gundeldingerstrasse und Dorenbachviadukt wieder auftauchen. Dieser Tunnel führt zu einer starken Entlastung des Gundeldinger Quartiers. So kann Verkehr, welcher heute aus Westen durch das ganze Quartier bis in den Ostteil oder darüber hinaus (Birstal) fährt, über die neue Autobahn das Quartier umfahren. Ebenso umfährt Verkehr aus Gebieten (süd-)östlich des Dreispitz, welcher in den westlichen Teil des Quartiers bzw. darüber hinaus (Grossbasel West) muss, das Quartier via Autobahn.

Dieses Nationalstrassenstück könnte, sofern keine zeitliche Verzögerung eintritt, etwa 2020 gebaut sein und in Betrieb genommen werden. Weil die Quartierumfahrung auf einem Beschluss zum Nationalstrassen-Netz aus dem Jahr 1960 basiert (siehe Visualisierung), gilt der seinerzeit festgelegte Kostenschlüssel: Der Bund übernimmt 65 Prozent, der Kanton 35 Prozent; im konkreten Fall müsste sich der Kanton Basel-Stadt mit rund 214 Millionen Franken beteiligen. Entnommen dem Synthesebericht von 2013 des Kantons Basel-Landschaft.

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Visualisierung: In den 60er Jahren war der Autobahnzubringer durch das Gundeldingerquartier geplant. Noch in den 2010er Jahren versprach ein Gundeldingertunnel die gewünschte Entlastung zu bringen. Doch es kam nochmal anders, als gedacht. Visualisierung VELOP.CH
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Auch wenn der Kostenverteilschlüssel gepasst hätte, mit der wuchigen Ablehnung der Anschluss-Infrastrukturbauten ELBA ist dem endlosen Dafür- oder Dagegenhalten eine Ende gesetzt. Eine Mehrheit im Kanton Basel-Landschaft ist nicht mehr bereit, die Kosten für weitere Strasseninfrastrukturprojekte zu stemmen. Die rot-grüne Regierung Basel-Stadt konnte den Gundeldingertunnel damit nicht ohne Genugtuung abschreiben.

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Status Rheintunnel: Gemeinsam mit anderen Ausbauprojekten fällt der Entscheid an der Urne
Die Problemstellungen und Randbedingungen sind sehr vielschichtig, handelt es sich doch um eine «Gross-Baustelle» über mehrere Kilometer in Zusammenarbeit mit den Behörden und diversen individuellen privaten Ingenieurbüros in verschiedenen Planungsund Ausführungsphasen über eine Zeitspanne von mehr als zehn Jahren ist 1980 in der Eröffnungsschrift der N2 im Kanton Basel-Stadt zu lesen. Was nach Abschluss der Baustelle eher versöhnlich gemeinst war, klingt für den anstehenden Bau eines Rheintunnel vielmehr wie eine Drohung.

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2024 plant der Bund einen Rheintunnel. Ausbauaffine Kräfte wie der TCS, Gewerbe und die Bürgerlichen künden Widerstand gegen den Rückbau der Schwarzwaldbrücke an. Für sie ist das Halten an der Leistung für den Binnenverkehr wichtig, ein Rückbau bestehender Infrastrukturbauten ausgeschlossen. Siehe Kasten unten. Mit ihrem Vorgehen haben die Autoverbände aber das Gegenteil bewirkt und den Protest erst befeuert: Würde die Schwarzwaldbrücke nicht sofort lärmsaniert, dann ist auch ein Rheintunnel in Frage zu stellen. Über das Referendum gegen den Ausbau von Autobahnprojekten wird im Herbst 2024 abgestimmt werden.

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Westumfahrung Biel und Nidau – an der Urne gestoppt
Eigentlich sollte die geplante A5-Westumfahrung Biel und Nidau vom Durchgangsverkehr entlasten. Doch der Widerstand in der Bevölkerung war gross. Ein Gegenkomitee organisierte damals Spaziergänge, um die Bevölkerung zu mobilisieren – mit Erfolg. Nach jahrelanger Planung wurde das Projekt kurz vor dem Start vom Protest der Bevölkerung gebodigt. Eine Schweizer Premiere.

Nun wagt der Kanton Bern zusammen mit Biel und Nidau einen neuen Anlauf, um den Verkehr in den Griff zu bekommen. «Die aktuelle Situation ist für alle Beteiligten derart unbefriedigend, egal ob als Autofahrerin, Velofahrer oder Fussgängerin. Es muss etwas passieren», so der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr. Ganz konkret geht es um die Hauptverkehrsachse zwischen der Bieler Seevorstadt und Nidau. Doch wie der Verkehr genau in den Griff bekommen werden und die Lebensqualität der Anwohnenden verbessert werden soll – das ist noch unklar.

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Bürgerprotest hat die Bieler Autobahnumfahrung gestoppt
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Politischer Prozess zum Ausbau muss im Aargau erst noch in die Gänge kommen
Mit der Gesamtplanung "Verkehrsinfrastruktur-Entwicklung Raum Suhr – VERAS" nimmt sich der Kanton der komplexen verkehrlichen Situation in Suhr und den umliegenden Gemeinden an. VERAS entlastet Suhr von den zu Spitzenzeiten herrschenden Staus und bindet gleichzeitig das Wynental besser an das übergeordnete Strassennetz an schreibt ag.ch

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Visualisierung Zufahrt südliches Tunnelportal. Rechts im Bild die A1.
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Die Kostenschätzung aus dem Vorprojekt (SIA 31) beträgt 234 Millionen Franken inklusive 7,7 Prozent Mehrwertsteuer auf der Preisbasis Oktober 2018 mit einer Genauigkeit von +/- 30 Prozent. Stark wirkt sich gegenüber dieser Kostenschätzung die ausserordentlich hohe Teuerung im Bauwesen in den letzten Jahren aus (Teuerungsindex von 11,3 Prozent / 35 Millionen Franken) .

Hinzu kommen eine Vielzahl kleinerer Projektanpassungen und Projektergänzungen gegenüber dem Vorprojekt, wobei sich insbesondere die erforderlichen Anpassungen an den verschiedenen Werkleitungen im VERAS-Perimeter als aufwändiger erwiesen haben.

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Rückblende: Bericht anlässlich der Eröffnung der Stadtautobahn und Schwarzwaldbrücke in den 80er Jahren

Architektonische Gestaltung und Immissionsschutz

Eine 4- bis 6-spurige Nationalstrasse in städtische Bereiche zu integrieren, gibt Probleme auf, die bei der generellen Planung und Festlegung der Strassenaxen kaum in ihrer ganzen Tragweite erfasst werden können. Deshalb müssen auch Stadtplaner und Architekten zugezogen werden.

Die städtebaulichen Probleme werden zu «menschlichen» aber natürlich auch zu hoch-brisanten politischen Problemen. Die Betroffenen, Anwohner und Benützer, aber auch die Projektanten erwarten speziell vom beteiligten Architekten, dass er inbezug auf Disposition und Gestaltung die Auswirkungen auf das tägliche Leben der Anwohner positiv beeinflusse und die negativen Begleiterscheinungen somit möglichst mildere. Es besteht dabei kaum die Meinung, dass dies nur mit ästhetischen Gestaltungsmitteln und «Kosmetik» gemacht werden soll.

Die Problemstellungen und Randbedingungen sind sehr vielschichtig, handelt es sich doch um eine «Gross-Baustelle» über mehrere Kilometer in Zusammenarbeit mit den Behörden und diversen individuellen privaten Ingenieurbüros in verschiedenen Planungsund Ausführungsphasen über eine Zeitspanne von mehr als zehn Jahren.

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Lärmmassnahmen seit 40 Jahren (links) unverändert, trotz Mehrverkehr und Innovationen im Schallschutz.
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Koordination und möglichst konsequentes Verfolgen einer vorgezeigten Gestaltungslinie spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Kunstbauten sie sind vorwiegend in Beton ausgeführt weisen teilweise Dimensionen auf, mit welchen der Architekt nicht unbedingt gewohnt ist, umzugehen. Diese Ingenieurbauten dürfen nicht kleinkariert behandelt und mit überinstrumentierten architektonischen Elementen in ihrer Funktion verfälscht oder gar camoufliert werden. Anderseits sollte überall dort, wo diese Bauwerke in engere Beziehung zur Umgebung kommen, der so vielzitierte «menschliche Massstab» gewahrt werden. Scheinbar ein Zielkonflikt. Doch ist die Aufgabe den Versuch wert, mit Einfühlungsvermögen und ernsthaften Bemühungen die richtige Lösung zu suchen.

Spezielle Sorgfalt jedoch verlangen alle diejenigen Teile, die im Blickfeld der Anwohner, der Fussgänger und Velofahrer sind. Dies gilt natürlich auch für Planungszonen, die durch den Autobahnbau verursacht worden sind, wie neue Fussgängeraxen, Velowege, Grünanlagen, Spielplätze, etc. Massstäblichkeit, Materialwahl und Details spielen hier eine wichtige Rolle. Bepflanzung und Begrünung der Anlagen und deren unmittelbarer Umgebung sind sehr erwünscht und zwar mit Büschen und Bäumen und nicht nur mit «Alibi-Bodenbedeckern>». Diese brauchen in Breite und Tiefe genügend Lebensraum. Abstandsvorschriften und Strassen, Bahn, Gebäude und Grenzen sowie das notorische Landdefizit eines Stadtkantons stehen einer konsequenten Bepflanzung immer wieder im Wege. Verkehrsaxen dieses Ausmasses verursachen Staub, Abgase, Lärm. Diese Immissionen verlangen spezielle Abwehrmassnahmen. Gewisse Schallschutzinstallationen mussten teilweise aufgrund der Erfahrungen nachträglich getroffen werden. Die Integrierung in die bestehenden Pläne und die Umgebung brachte etwelche gestalterische Schwierigkeiten.

Es gilt, jeweils die wirkungsvollste und den örtlichen Umständen entsprechend bestmögliche Variante zu suchen. Auch das sind «architektonische» Arbeiten.

Schallschutzwände: Sie brauchen am wenigsten Platz, können je nach Immissionsauswirkung relativ leicht und auch erst später montiert werden. Sie sind ästhetisch meist unbefriedigend. Bepflanzung: Bepflanzungen geben visuellen Schutz, gegen Lärm sind Begrünungen, Bäume und Büsche wenig wirksam. Staub und Abgase werden eher abgehalten. Tieferlegen: Tieferlegen der immissionserzeugenden Strasse, sowie künstliche Wälle und Bodenerhebungen beanspruchen relativ viel Platz, sind jedoch besonders wenn sie auch noch bepflanzt sind wirkungsvolle Elemente für den Immissionsschutz. Galerien: Einseitig und nach oben geschlossene Anlagen, oder Stützmauern mit darüberliegenden Auskragungen können je nach Umständen sehr wirkungsvoll sein. Sekundärerscheinungen in Form von Echowirkung, Schallreflektionen, etc. sind zu berücksichtigen. Sie sind ziemlich kostenintensiv. Tunnels: Die vollständige Verlegung unter die Erde ist selbstverständlich die wirkungsvollste Schutzmassnahme, aber auch eindeutig die teuerste.

Die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur gab interessante Impulse. Es kann dabei mit Genugtuung die Feststellung gemacht werden und dies vielleicht im Gegensatz zur vorherrschenden allgemeinen Meinung dass die Techniker grosses Gewicht darauf legten, ästhetisch befriedigende Lösungen zu suchen, trotz den unzähligen Randbedingungen, die dies oft erschwerten.

Beda Küng Dipl. Architekt BSA SIA
Entnommen aus 'Die N2 im Kanton Basel-Stadt', Tiefbauamt des Kantons Basel Stadt

Anschlüsse vom Quartier zur N2 war zwar als Beigabe an die Anrainer gedacht, sie verteueren aber längst geforderte Schallschutzmassnahmen. Das Quartier drängt jetzt auf Einhausung.
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Geschrieben von VELOP.CH am Wednesday September 7, 2022

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